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IU-Case-Study-Wirtschaftsethik/chapters/Chapter 3.tex
2025-10-03 20:54:18 +02:00

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TeX

\section{Die SE in Deutschland}
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% -- Rechtliche Einordnung
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\subsection{Rechtliche Einordnung}
\label{sec:Rechtliche Einordnung 2}
Das wichtigste Regularium zur \ac{SE} ist die \ac{SE-VO}. Die dortigen Bestimmungen sind aufgrund des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts vor nationalem Recht \parencite[vgl.][S.48]{Q8} in allen Mitgliedsstaaten der EU anzuwenden. Ausnahmen und Ergänzungen durch nationales Recht dürfen nach \citetitle[Art.9 Abs.1][]{Q11} nur erfolgen wo ausdrücklich in der \ac{SE-VO} erlaubt. \parencites[vgl.][S.7]{Q9}[vgl.][S.48]{Q8}
Da die \ac{SE-VO} jedoch vorwiegend Aspekte der Gründung sowie der Organisationsverfassung regelt, kommt den nationlen Rechten eine große Bedeutung zu. Gültig ist dabei das nationale Recht desjenigen Staates, in welchem die \ac{SE} ihren Sitz hat. \parencite[vgl.][S.7]{Q9}
Auf den nationalen Ebenen sind nach \citetitle[Art.9 Abs.1][]{Q11} die jeweiligen \textit{SE-Ausführungsgesetze} vorrangig vor den nationalen allgemeinen Aktiengesetzen.
In Deutschland sind diese Ausführungsgesetze einerseits das \ac{SEAG} und andererseits das \ac{SEBG}. Ersteres regelt gesellschaftsrechtliche Aspekte während zweiteres die Beteildigung der Arbeitnehmer in der \ac{SE} ausgestaltet. \parencites[vgl.][S.7]{Q9}[vgl.][S.48f.]{Q8}
Schließlich greifen bei einer \ac{SE} mit Sitz in Deutschland die allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften des \ac{AktG} in allen Belangen in denen \ac{SEAG} und \ac{SEBG} keine Regelung enthalten oder auf das \ac{AktG} verweisen. \parencite[vgl.][S.7]{Q9} Somit kommt der Wahl der Sitzes bei der Gründung der \ac{SE} eine große Bedeutung zu \parencite[vgl.][S.8]{Q9}.
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Eine Darstellung der rechtlichen Hirarchie kann der Abbildung \ref{fig:Abb01} auf Seite \pageref{fig:Abb01} entnommen werden.
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\begin{figure}
\centering
\caption{\textit{Hirarchie des SE-Rechts}}
\includegraphics[height=6cm]{Abb01_Rechtspyramide} \\
In Anlehnung an \textit{\cite[S.8]{Q9}}
\label{fig:Abb01}
\end{figure}
Mit der Einführung der \ac{SE} wurde ein für Deutschland neues Operationsmodell eingeführt \parencite[S.49]{Q8}. So sieht \citetitle[Art.38][]{Q11} eine Wahlmöglichkeit zwischen einer dualistischen und einer monoistischen Organisationsverfassung vor. Diese besteht auch nach der Gründung durch nachträgliche Organisationsverfassungsanpassungen mittels Satzungsänderungen \parencites[vgl.][S.9]{Q10}[vgl.][S.48f.]{Q8}
Die dualistische Ausprägung wird dabei von \citetitle[Art.39 bis 42][]{Q11} in Grundzügen geregelt. Diese werden um nationales Recht nach \citetitle[§§15 bis 19][]{Q12} sowie die allgemeinen aktienrechtlichen Regelungen des \ac{AktG} ergänzt. \parencite[vgl.][S.49]{Q8}
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Im Folgenden werden die beiden Formen der dualistischen und monoistischen \ac{SE} in Deutschland dargestellt und der dualistischen \ac{AG} im Kontext der \ac{CG} gegenüber gestellt.
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% -- Dualistische SE
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\subsection{Die dualistische SE}
\label{sec:Die dualistische SE}
% -- Gemeinsamkeiten SE & AG --
Zwischen der dualistischen \ac{SE} und der \ac{AG} bestehen weitreichende Gemeinsamkeiten. Eine vereinfachte Darstellung der \ac{CG}-Struktur der monoistischen SE kann der Abbildung \ref{fig:Abb05} auf Seite \pageref{fig:Abb05} entnommen werden.
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Zunächst kennt die dualistische \ac{SE} ein mit dem Vorstand vergleichbares Leitungsorgan. Dieses besteht aus einem oder mehreren Geschäftsführern. Die genaue Anzahl wird durch die Satzung der Gesellschaft innerhalb der Grenzen nationalen Rechts gem. \citetitle[Art.39 Abs.1][]{Q11} festgelegt. Das Leitungsorgan ist nach \citetitle[Art.39 Abs.1][]{Q11} zur Geschäftsführung in eigener Verantwortung berechtigt. Bestellt und entlassen werden die Mitglieder gemäß \citetitle[Art.39 Abs.2][]{Q11} durch das Aufsichtsorgan. \parencites[vgl.][S.49f.]{Q8}[vgl.][S.10]{Q9}
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Auch das Aufsichtsorgan der dualistischen \ac{SE} ähnelt der deutschen AG stark. Es ist, wie auch der Aufsichtsrat, nicht zur geschäftsführung berechtigt (\citetitle[vgl. Art.40 Abs.1][]{Q11}). Eine strenge personelle und funktionelle Trennung ist vorgeschrieben, die zentrale Aufgabe des Organs besteht in der Kontrolle des Leitungsorgans und auch die Kontrollkompetenzen ähneln sich stark. So wird auch dem Aufsichtsorgan der dualistischen \ac{SE} nach \citetitle[Art.48][]{Q11} zugestanden, Geschäftsentscheidungen festzulegen, die einer Zustimmung durch den Aufsichtsrat bedürfen \citetitle[Art.48 Abs.1][]{Q11} i.V.m. \citetitle[§19][]{Q12}. \parencite[vgl.][S.10]{Q9}
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Beide Organe kennen nach \citetitle[Art.50 Abs.2][]{Q11} darüber hinaus einen Organvorsitzenden. Dieser hat in Pattsituationen die entscheidende Stimme inne. Von dieser Regelung kann jedoch in der Satzung oder bei mitbestimmten Gesellschaften zugunsten einer Gleichbehandlung abgewichen werden. \parencite[vgl.][S.50]{Q8}
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Bestellt und entlassen wird das Ausichtsorgan durch die Hauptversammlung (vgl. \citetitle[Art.40 Abs.2][]{Q11}). Im Fall der Mitbestimmung greifen zusätzlich die nationalen Regelungen, hier die \ac{SE-RL}. Im Falle der hälftigen Besetzung mit Vertretern der Arbeitnehmerschaft muss der Organ-Vorsitzende nach \citetitle[Art.42][]{Q11} zu den Shareholder-Vertreter gehören.
\begin{figure}
\centering
\caption{\textit{Vereinfachte CG Struktur der dualistischen SE}}
\includegraphics[width=\textwidth]{Abb05_Die dualistische SE} \\
Eigendarstellung
\label{fig:Abb05}
\end{figure}
% -- Unterschiede SE & AG --
Trotz weitreichenden Ähnlichkeiten existieren jedoch einige im \ac{CG}-Kontext relevante Unterschiede zwischen der dualistischen \ac{SE} und der \ac{AG}.
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Bedeutend im \ac{CG}-Kontext sind dabei die verschäften Regelungen zu den Zustimmungsvorbehalten bei der dualistischen \ac{SE} nach \citetitle[Art.48 Abs.1][]{Q11}. Im Gegensatz zur \ac{AG} sind verpflichtend Zustimmungsvorbehalte bereits bei der Erstellung der Satzung festzulegen. Diese können, wie dargestellt, später durch das Aufsichtsorgan nach \citetitle[Art.48 Abs.1][]{Q11} i.V.m. \citetitle[§19][]{Q12} erweitert werden. \parencite[vgl.][S.12]{Q9}
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Einen weiteren Unterschied bilden die Regelungen zur Amtszeit von Organmitgliedern. Diese sind nach \citetitle[Art.46][]{Q11} im Gegensatz zur \ac{AG}, wenigstens in Form von Maximalzeiten, bereits in der Satzung festzulegen. Die gesetzlich zulässiche Maximalzeit von 6 Jahren fällt jedoch bei der \ac{SE} länger aus \parencite[vgl.][Art.46 Abs.1]{Q11}. \parencites[vgl.][S.12]{Q9}[vgl.][S.50]{Q8}
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Auch das Prinzip der \textit{Gesamtgeschäftsführung} ist in diesem Kontext zu nennen. Dieses wird durch \citetitle[Art.50 Abs.1][]{Q11} eingeschränkt. Grundsätzlich müssen bei beiden Gesellschaftsformen Geschäftsentscheidungen einstimmig durch den Vorstand getroffen werden. Eine Abweichungs von dieser dispositiven Regelung ist im Falle der \ac{SE} im Gegenzug zur AG jedoch nur über eine Modifikation der Satzungsregelung möglich, nicht aber der Geschäftsordnung. \parencites[vgl.][Art.46]{Q11}[vgl.][S.11]{Q9}
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Schließlich weichen die Regelungen zur Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft bei mitbestimmten Gesellschaften von denen der \ac{AG} ab. Das System der Mitbestimmung in der \ac{SE} fällt in Deutschland sehr komplex aus \parencite[vgl.][S.50]{Q8} und wird daher hier nicht vollumfänglich dargestellt.
Ausgang für die nationale Regelung ist die \ac{SE-RL}. Die Mitbestimmung läuft nach dieser in drei kaskadierenden Prinzipien ab. \parencite[vgl.][S.50]{Q8}
Zunächst greift gemäß \citetitle[Erwägungsgrund 7][]{Q15} das \textit{Vorher-Nachher-Prinzip}. Dieses gebietet nach einer Günstigkeitsregelung den Erhalt des vor der Gründung der \ac{SE} bestehenden Status. So sind einerseits Mitbestimmungsrechte sind nicht gegen den Willen der Mehrheit der Arbeitnehmerschaft zu abzubauen. Andererseits ist die Einführung dieser auch nicht erforderlich, sofern sie nicht bereits vor der Gründung der \ac{SE} bestanden. \parencite[vgl.][S.50]{Q8}
Als zweites Prinzip greift nach \citetitle[Art.3 bis 6][]{Q15} die \textit{Verhandlungslösung}. Ein von der Mitarbeiterschaft gebildetes \textit{besonderes Verhandlungsgremium} soll dabei mit der Unternehmensseite Mitbestimmungsrechte aushandeln \parencite[vgl.][S.50]{Q8}. Das Verfahren ist im Detail sehr komplex und langwierig \parencite[vgl.][S.50]{Q8} und wird daher hier nicht näher dargestellt.
Scheitern die Verhandlungen nach dem dritten Prinzip, oder führen innerhalb eines Jahres nicht zum Erfolg, gebietet \citetitle[Art.7 Abs.1 UAbs.2 Buchst.b][]{Q15} die Einführung einer \textit{Auffangregelung}. Diese ist im Anhang der \ac{SE-RL} aufgeführt.
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% -- Monoistische SE
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\subsection{Die monoistische SE}
\label{sec:Die monoistische SE}
% -- Struktur der monistischen SE --
Die Struktur der monoistischen Ausprägung der \ac{SE} ist vergleichbar mit der monoistischen Board Struktur \parencite[vgl.][S.12]{Q9}, wie sie in Kapitel \ref{sec:Das monoistische System} ab Seite \pageref{sec:Das monoistische System} bereits dargestellt wurde. Eine vereinfachte Darstellung der \ac{CG}-Struktur der monoistischen SE kann der Abbildung \ref{fig:Abb04} auf Seite \pageref{fig:Abb04} entnommen werden.
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Im Folgenden wird zunächst auf die Struktur der monstischen \ac{SE} in Deutschland eingegangen, bevor wesentliche Unterschiede zum dualistischen System herausgearbeitet werden.
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Das deutsche Regularium bis zur Einführung der \ac{SE} keine monoistischen Strukturen kannte, hat der Gesetzgeber umfangreiche Anpassungen und Erweiterungen im Rahmen seiner Regelungsbevollmächtigung nach \citetitle[Art.43 Abs.4][]{Q11} vorgenommen. Diese finden sich in den \citetitle[§§20 bis 49][]{Q12} und ersetzen die anderweitig gültigen Regelungen der \citetitle[§§76 bis 116][]{Q7}. \parencite[vgl.][S.12]{Q9}
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Das zentrale Organ der \ac{SE} ist der \textit{Verwaltungsrat} (\citetitle[vgl. §20][]{Q12}). Dieses ist nach \citetitle[Art.43 Abs.1][]{Q11} mit der Geschäftsführung betraut. Abweichend von der europäischen Regelung führt der deutsche Gesetzgeber im Einklang mit \citetitle[Art.43 Abs.1 Satz 2][]{Q11} gemäß \citetitle[§40 Abs.2 Satz 1][]{Q12} eine Funktionstrenung für die deutsche \ac{SE} ein. Es wird zwischen der \textit{Geschäftsführungsfunktion} und der \textit{Leitung- sowie Überwachungsfunktion} unterschieden. Die Unterscheidung ist in der \textit{Geschäfts- verteilung} genau geregelt \parencite[vgl.][S.13]{Q9}. Dem Verwaltungsrat fällt nach der deutschen Regelung die zweite Funktion zu. Die erste Funktion fällt den neu eingeführten \textit{geschäftsführenden Direktoren} zu. (\citetitle[vgl. §40 Abs.2 Satz 1][]{Q12})
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Der Verwaltungsrat leitet nach \citetitle[§22 Abs.1][]{Q12} die Gesellschaft, legt die Grundlinien ihrer Tätigkeit fest und überwacht deren Umsetzung. Leitung bezieht sich nach \citetitle[Art.38; Art.43][]{Q11} dabei auf Grundsatzentscheidungen und die Maßnahmen zur Umsetzung dieser.
Greift die Mitbestimmung, so besteht der Verwaltungsrat nach \citetitle[Art.11 Abs.2][]{Q11} aus mindestens drei Mitgliedern. Darüber hinausgehende Regelungen können in der Satzung der \ac{SE} festgelegt werden \parencite[vgl.][S.51]{Q8}. Zusammensetzung und Bestellung entspricht im übrigen der dualistischen \ac{SE} \parencite[vgl.][S.13]{Q9}.
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Die geschäftsführende Direktoren werden vom Verwaltungsrat bestellt und nehmen die Geschäfts- führungsfunktion war. Sie können (zum Teil) sowohl aus dem Verwaltungsrat stammen, als auch von außerhalb. \parencite[vgl.][S.14]{Q9} Geschäftsführende Direktoren sind voll vertretungsbefugt nach \citetitle[§44 Abs.1][]{Q12}.
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Dem Verwaltungsrat verbleiben trotz der Trennung von Geschäftsführungs- und Leitungskompetenz Einflussmöglichkeiten. So kann er in angemessenen Grenzen den geschäftsführenden Direktoren Vorgaben zur Geschäftsführung machen. Im Einzelfall kann er darüber hinaus über Weisungen oder eigenes geschäftsführendes Handeln direkten Einfluss auf die Geschäftsführung der \ac{SE} nehmen. \parencite[vgl.][S.14]{Q9}
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\begin{figure}
\centering
\caption{\textit{Vereinfachte CG Struktur der monoistischen SE}}
\includegraphics[width=\textwidth]{Abb04_Die monoistische SE} \\
Eigendarstellung
\label{fig:Abb04}
\end{figure}
% -- Unterschiede SE & AG --
Im Folgenden wird näher auf die Unterschiede zwischen der monoistischen \ac{SE} und dem dualistischen System eingegangen.
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Ein aus \ac{CG}-Sicht bedeutender Unterschied findet sich im Zusammenwirken von Verwaltungsrat und Geschäftsführenden Direktoren. Der Verwaltungrat trifft bei der monoistischen \ac{SE} Grundsatzentscheidungen und ist darüber hinaus nach \citetitle[§44 Abs.2][]{Q12} direkt weisungsbefugt gegenüber den geschäftsführenden Direktoren. Diese hirarchische Struktur besteht im dualistischen System nicht. Bei diesem beschränken sich die Einflussmöglichkeiten des Kontrollorgans auf die Leitung des Unternehmens weitgehend auf die zustimmungspflichtigen Entscheidungen sowie auf die Beratungsfunktion, wie in Kapitel \ref{sec:Kontrollkompetenz des Aufsichtsrates} ab Seite \pageref{sec:Kontrollkompetenz des Aufsichtsrates} ausführlich dargestellt. \parencite[vgl.][S.15]{Q9}
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Einen weiteren wichtigen Unterschied stellt die personelle Trennung von Kontroll- und Aufsichtsorgan dar, die bei der monoistischen \ac{SE} nach \citetitle[§40 Abs.1][]{Q12} weniger strikt gestaltet ist. So ist den Mitgliedern des Verwaltungsrates erlaubt, zusätzlich geschäftsführender Direktor zu sein. Dies gilt, solange wenigsten die Hälfte des Verwaltungsrates nicht aus geschäftsführenden Direktoren besteht. \parencite[vgl.][S.15]{Q9}
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Zuletzt ergeben sich aus den weiterreichenden Einflussmöglichkeiten des Verwaltungsrates auf die Geschäftsführung gleichermaßen weiterführende Einflussmöglickeiten der Arbeitnehmervertretung. Das gilt insofern, als wenn bei der spezifischen monoistischen \ac{SE} die gesetzlichen Grenzwerte zur Mitbestimmung durch die Mitarbeiterschaft überschritten werden. \parencite[vgl.][S.15]{Q9}